Ein Rückblick auf die Aufdeckung rund um die Verfassungsrichterin – und was wirklich dahinter steckt
Von [Name anonymisiert]
Dass das Thema Studienstiftung und die damit verbundenen parteiübergreifenden Netzwerke nun endlich breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhält, ist zunächst einmal erfreulich. Lange genug wurde weggeschaut. Doch der Anlass, aus dem dies geschieht – eine Debatte über Gender und Eugenik, ausgelöst durch problematische Schriften einer Verfassungsrichterin – offenbart auch das Dilemma: Es geht weniger um Aufklärung, sondern um ideologische Positionierung. Und das gleich auf beiden Seiten.
Ich selbst habe bereits vor rund zweieinhalb Jahren zentrale Hinweise auf diese Netzwerke bei der Juristin Fischer eingebracht. Damals stieß ich über die fragwürdige Begutachtung von Kindern auf ein Geflecht aus politischen, akademischen und wirtschaftlichen Verbindungen, das bis heute weitgehend unangetastet blieb. Dass nun einzelne Details aus diesem Kontext plötzlich skandalisiert werden, lässt vor allem eines vermuten: Das Thema wird instrumentalisiert – aber nicht verstanden.
Linke gegen Rechte – und keiner versteht das System
In der öffentlichen Debatte erkennen wir aktuell ein altes Muster: Die eine Seite wirft der anderen „rechtsradikale Tendenzen“ vor, während sich die Gegenseite hinter dem Kampfbegriff „grün-rote Ideologie“ verschanzt. Doch beide Seiten verfehlen das eigentliche Problem – und bestätigen es zugleich.
Denn wer verstehen will, wie sich ein derart tief verankertes Netzwerk wie das rund um die Studienstiftung entwickeln konnte, muss bereit sein, die Scheuklappen abzulegen. Es ist gerade das unreflektierte Schwarz-Weiß-Denken, das solche Strukturen über Jahrzehnte hinweg begünstigt hat. Wer heute glaubt, nur die jeweils andere Seite habe Schuld, verkennt die historische Kontinuität – und das Versagen aller Parteien, auch CDU und SPD, in der Auseinandersetzung mit personellen wie ideologischen Altlasten.
Die Stiftung, die keiner sehen will
Besonders brisant ist, was rund um die Stiftung nun zutage tritt: Die biografische und institutionelle Nähe zur NS-Zeit – etwa über Theodor Pfizer, dessen Akte von 1949 eindeutige Bezüge zum Nationalsozialismus enthält – wurde über Jahrzehnte hinweg ignoriert oder bewusst verdrängt. Dass eine solche Figur nach dem Krieg nicht nur rehabilitiert wurde, sondern im Kontext neuer Stiftungen weiterhin Einfluss nahm, ist kein Einzelfall, sondern Teil eines strukturellen Problems.
Noch erschreckender ist die Tatsache, dass diese Zusammenhänge nicht erst jetzt bekannt werden. Dass die Stiftung 2017 unter der Leitung eines Mannes (postmortem) neu aufgesetzt wurde, der öffentlich zum „Endsieg über Russland und die USA“ aufrief, hätte schon damals Alarmglocken schrillen lassen müssen. Stattdessen blieb es still – in Presse, Politik und Wissenschaft.
Vom McCloy-Programm bis zu RAF-Verstrickungen
Wer das Netzwerk ernsthaft untersucht, stößt auf Verbindungen, die weit über das aktuelle Aufregerthema hinausgehen: zum McCloy-Programm, zur RAF, zu internationalen Bildungseinrichtungen wie Harvard – und zu ideologischen Überschneidungen mit Organisationen wie Planned Parenthood. Dabei fällt auf: Ob konservativ, linksalternativ oder liberal – fast jede gesellschaftliche Strömung hat in irgendeiner Form ihre Finger im Spiel oder sieht sich in ihren Gründungsfiguren plötzlich mit unbequemen historischen Wahrheiten konfrontiert.
Das betrifft Ikonen wie Hannah Arendt ebenso wie Bewegungen wie Fridays for Future oder die Palästina-Solidarität der 1970er. Die Erschütterung über solche Widersprüche wird viele vermeintliche „Helden“ des Idealismus entzaubern.
Instrumentalisierung statt Aufarbeitung
Die aktuelle Entrüstung über die Verfassungsrichterin zeigt, wie selektiv Erinnerung und Empörung funktionieren. Die eine Seite stilisiert sie zur Freiheitskämpferin, die andere brandmarkt sie als eugenische Gefährdung der Demokratie. Beides greift zu kurz.
Denn das Problem ist nicht nur ihre Person – sondern das Milieu, in dem solche Karrieren überhaupt möglich sind. Die Netzwerke, in denen Förderprogramme, politische Seilschaften und historische Altlasten ineinandergreifen, bleiben weitgehend unangetastet. Und die, die sich nun über sie empören, wollen oft gar keine echte Aufklärung, sondern nutzen den Skandal als Vehikel für ihre eigenen Botschaften.
Fazit
Ich freue mich, dass das Thema endlich sichtbar wird. Aber ich fürchte auch, dass es unter falschen Vorzeichen geschieht – und dadurch erneut die Chance vertan wird, strukturell aufzuräumen. Es braucht nicht noch mehr Skandalisierung, sondern nüchterne Analyse. Nicht noch mehr ideologisches Getöse, sondern den Mut, historische Verantwortung wirklich zu übernehmen.